Bulletin 22.8.04

 

Fritz Pölking

Die 2. Welle kommt bestimmt..

Im März dieses Jahres war ich schon mal im Paria Canyon Gebiet in Utah-Arizona,  um die inzwischen berühmte Landschaft der Wave zu fotografieren. Um das beste Licht nicht zu verpassen, war ich um 4 Uhr morgens aufgebrochen, hatte sie fotografiert und war um 9 Uhr fertig, als die Sonne anfing das Motiv ‚zu zerstören‘.

Da entdeckte ich die zweite Wave, die einige hundert Meter hinter der ersten liegt, aber leider erst kurz vor Sonnenuntergang im richtigen Licht ist. Ich hatte also die Wahl neun Stunden zu warten oder das Foto dieses Motivs zu verschieben.

Ich entschloss mich zu verschieben, weil ich sowieso im Juni wieder ‚in der Gegend sein wollte‘, und konnte dann die Aufnahme gut mitmachen.

Was sich dann im Juni allerdings als etwas problematisch erwies, da das Thermometer   leider 34 Grad Celsius im Schatten anzeigte, was nicht so lustig ist, wenn man 2 Stunden durch eine wüstenartige Landschaft – ohne den geringsten Schatten – wandern muss, mit Fotogepäck und Stativ. Die Ranger empfehlen für die Wave als Mindestmenge 1 Gallone Wasser, was das Marschgepäck noch mal um 7 Pfund erhöht.

Daher plante ich den Trip ganz knapp, um so spät wie möglich losgehen zu können. Sonnenuntergang war um 19.41 Uhr, der Weg zur 2. Wave vom Wire Pass aus dauerte 2 Stunden, es müsste also reichen um 17 Uhr loszugehen (wenn die Hitze schon nicht mehr so schlimm ist), dann hätte ich noch 41 Minuten vor Sonnenuntergang um mein Bild zu machen. So weit die Theorie.

Weil man als Naturfotograf, der den Job schon gut 40 Jahre lang macht, schon viele Pferde hat kotzen sehen, baute ich eine zusätzliche Stunde zur Sicherheit ein und beschloss schon um 16.00 loszumarschieren. Fragen Sie mich nicht wieso, aber meine innere Unruhe ließ mich schon um 15.15 vom Wirepass  losziehen  (völlig blödsinnig in der noch fast vollen Tageshitze), aber was soll ich sagen: Wegen der Hitze kam ich langsamer voran und brauchte volle zwei Stunden dreißig Minuten bis zur 2. Wave und war um 17.45 dort, also eigentlich viel zu früh, weil ja Sonnenuntergang erst 19.45 ist.

Aber – was ich mit meiner 'jahrzehntelangen Erfahrung' nicht einkalkuliert hatte: Durch einen gegenüberliegenden Berg verschwand die Sonne an der 2.Wave schon um 18.20, und ich hatte somit gerade noch gut 30 Minuten um mein Bild zu machen. Eine halbe Stunde später losgegangen, und ein viele Stunden währender Marsch mit dem üblichen Fotografengepäck auf dem Rücken wäre für die Katz gewesen..

 

Die 'Second Wave' 
in der Paria Canyon, Vermilion Cliffs Wilderness, 
Utah/Arizona, (5. Juni 2004)

 Canon EOS-1D Mark II, 3.5-4.5/24-85 mm (benutzte Brennweite 54 mm),
RAW file, ISO 100, Bl. 16, 1/25 sek., Spiegelvorauslösung, Hochformatwinkel, Kabelauslöser, Stativ, 
Aufnahmezeit 18.13 Uhr. (Sagt einem heute alles ganz genau der Datenanhang am Bild).

Es hatte also so eben noch geklappt mit dem Foto vor Sonnenuntergang. Was mir nicht so ganz behagte war, dass ich jetzt im Schein der Taschenlampe 2-3 Stunden in der Dunkelheit zurücklaufen musste um den Parkplatz am Wire Pass zu finden. 

Aber der Tag brachte noch zusätzliche interessante Erlebnisse, wobei die Dinge am Rande, die man als Naturfotograf so erlebt, eigentlich ein eigenes Buch wert wären.

Hier mal drei (oder vier bis fünf) Erlebnisse nur von diesem einen Tag, wie man sie draußen oft erlebt: 

1:   Während ich auf dem Weg vom Wire Pass, wo man sein Auto abstellen muss um die restlichen gut 3 Meilen zu Fuß zur Wave zu gehen, nach einer halben Stunde die erste Pause machte, überholte mich mit Schwung ein Belgier (jung, dynamisch, erfolgreich), und als er vorbei war sah ich an seinem Fotorucksack links und rechts je eine große Thermoskanne hängen, wie man sie sonst benutzt um Mahlzeiten warm zu halten. Darin klimperte es bei jedem Schritt fröhlich vor sich hin – es waren Eiswürfel, damit die Getränke später an der Wave besser schmeckten. Diese Belgier haben wirklich Klasse und Stil....

2:  Während ich mich dann nach 1.5 Stunden der 2.Wave so langsam näherte, bewölkte sich der Himmel bedenklich und es sah so aus, als wäre mein ganzer Aufwand umsonst gewesen, denn die 2.Wave ohne Sonne, das Motiv hätte man 'In der Pfeife rauchen können'.

Da begegnete mir ein Naturfotograf auf dem Rückweg von der 1.Wave der dort den ganzen Morgen fotografiert hatte. Er sagte mir, dass das Fotolicht wohl eben im verschwinden begriffen wäre, um machte dabei einen Gesichtausdruck, als wenn es für einen Naturfotografen nichts Schöneres gäbe als zu sehen, dass ein anderer Naturfotograf zwei Stunden völlig umsonst durch 34 Grad Hitze gelaufen ist.... Schadenfreude scheint immer noch die reinste aller Freuden zu sein...

Glücklicherweise irrte er sich und gegen 18.00 Uhr waren die Wolken verschwunden und ich konnte meine geplanten Bilder machen. 

3:  Etwa fünf Meter neben mir hatte - an der 2. Wave angekommen - inzwischen der belgische Kollege eine teure 6x6 Rollei auf das Stativ gebaut und alleine gelassen, um in seinem Rucksack in 6-8 Meter Entfernung etwas zu suchen.

Es war zwar völlige Windstille, aber mir drehte sich der Magen um als ich die Kamera da alleine auf dem Stativ stehen sah, weil ich aus früheren Besuchen der Wave wusste, das hier plötzlich heftige Windstöße kommen. Im letzten Jahre hatte so ein Windstoß das Stativ meiner Frau umgeworfen, und der Kugelkopf ihr eine ziemlich schlimme Platzwunde am Kopf verursacht, die heftig blutete.

Ich bat den Belgier also, doch sofort seinen Fotorucksack als Stütze an das Stativ zu lehnen, und hier in dieser Gegend sich niemals auch nur einen Meter von der Kamera auf dem Stativ zu entfernen. Wenn er sich entfernte, sollte er die Kamera vorher abnehmen, oder das Stativ auf den Boden legen mit der Kamera.

Zehn Minuten später kam so ein heftiger Windstoß, dass auch meine Kamera mit dem Stativ umfallen wollte und ich sie schnell festhalten mußte, trotzdem ich den Rucksack dagegen als Abstützung gestellt hatte. 

Unsere beiden Hüte flogen etwa 2o Meter im hohen Bogen durch den Wind, und ohne meinen Hinweis wäre die schöne 5.000,- Euro 6x6 Rollei des Kollegen wohl Schrott gewesen.

Also ein sehr erfolgreicher Tag: Erstens die Aufnahme bekommen und gleichzeitig die gute Tat für den Monat Juni begangen – was kann man mehr von einem Tag erwarten?

Dieses Gebiet, die Paria Canyon Wilderness, zwischen Page und Kanab gelegen, ist eine wirkliche Wildnis: es ist kein Nationalpark mit Hinweisschildern, Wegen und Picknickplätzen.  Wer hier schlecht vorbereitet ist ,kann böse enden..'.

Zwei Beispiele aus diesem Jahr:

4:  Im März saß ich nach getaner Fotoarbeit am Rande der 1.Wave und meditierte -  Sie kennen das sicher -, über so wichtige Dinge wie den Sinn des Lebens und so weiter...

Da hörte ich plötzlich eine Frau immer wieder mit Panik in der Stimme laut rufen. Sie hatte vorher zwei Stunden in der Wave fotografiert, wollte dann die Umgebung erkunden, hatte kein GPS bei sich und plötzlich völlig die Orientierung verloren, um durch Zufall und Glück wieder zur Gegend um die Wave zu finden wo ich sie hörte und ihr helfen konnte. Man muss dazu wissen:  Wenn man von der Wave aus in der falschen Richtung weitergeht, dauert es fünf Tage, bis man wieder auf eine Strasse stößt. Und fünf Tage in der Wildnis, ohne Wasser...?

5:  Jetzt im Juni sahen drei amerikanische Fotografen, die eine halbe Stunde vor mir den Rückweg angetreten hatten, plötzlich etwa eine Stunde von der Wave entfernt ein einsames Stativ stehen und einen Mann, der sich – große Kreise drehend – immer weiter davon entfernte. Er hatte viel zu wenig Wasser mitgenommen und befand sich jetzt am Rande des Deliriums – und das bei Anbruch der Dunkelheit. Was wäre passiert, wenn die drei ihn nicht noch so eben vor Tagesende entdeckt hätte...?

Wenn Sie also in der echten Wildnis fotografieren wollen: Immer ausreichend Wasser mitnehmen, möglichst GPS mitnehmen und immer sehr, sehr sorgfältig planen...

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