1. Januar 2005


Fritz Pölking

  Ein Weg durch das 
 digitale Naturfotografen-Leben

Soll man überhaupt umsteigen? Wenn man etliche Jahrzehnte seine Bilder auf Film gespeichert hat, dann überlegt man es sich mehr als zweimal, ob man umsteigt und seine Bilder in Zukunft auf einem Chip speichert.

Vorteile? Wenn man die Hardware erst einmal bezahlt hat, braucht man kein Geld mehr für Filme, Entwicklung und Diarahmung auszugeben.
 
Auf Auslandsreisen muss man nicht mehr 150 Filme im Handgepäck hin- und zurücktransportieren, und auch die unerfreulichen Situationen an den X-Ray-Maschinen der Flughäfen gehören der Vergangenheit an.

Lohnt es sich dafür umzusteigen? Für mich nicht.

Deswegen wäre ich nicht umgestiegen. Denn es gibt auch handfeste Nachteile.

Etwa der enorme Zeitaufwand für die Einarbeitung in die Materie, der enorme Zeitaufwand für die Digitale Dunkelkammer und die fantastischen Preise für digitale Spiegelreflexkameras und den rasanten Wertverfall der Geräte. 

Heute gekauft, morgen überholt, übermorgen Alteisen.

Der Knackpunkt für mich war und ist aber, ob ich digital bessere Fotos mache als auf Film. 

Nachdem ich im Oktober 2003 im Yosemite Nationalpark in Kalifornien zweigleisig fotografierte hatte, analog mit der EOS-1 V und digital mit der EOS-300 D, beschloss ich 2003 im Dezember, dass ganze Jahr 2004 nur digital zu fotografieren, um im Dezember 2004 eine endgültige Entscheidung zu treffen, ob ich für den Rest meines Lebens auf Film oder auf Chip fotografieren werde.

Im April 2004 war die Sache aber schon entschieden und mir war klar, dass ich bei digital bleiben werde, weil ich den Eindruck hatte, meine Chancen gute Bilder zu machen, sind digital besser als mit Film.

Das größte Problem für mich – auf der technischen, nicht der gestalterischen Seite – war, einen vernünftigen digitalen Arbeitsdurchlauf zu finden.

Was braucht man als digital arbeitender Naturfotograf draußen?

Zuerst natürlich mal zwei digitale Spiegelreflex-Gehäuse, sagen wir eine EOS  20 D  mit 8 Millionen Pixel zum fotografieren, und eine EOS 300 D mit 6 Millionen Pixel als Reservegehäuse (oder eine adäquate Kombination von Nikon oder einem anderen Hersteller), weil man ja schlecht nach Afrika oder Amerika mit nur einer Kamera fliegen kann.

Dazu eine Lupe, damit  man auch draußen auf dem Kameramonitor bei Sonne etwas sehen kann, wie etwa den Digifinder (www.digifinder.de), daneben einen Reserveakku für die Kamera und zwei Compactflash-Karten, sagen wir eine mit 4 und eine mit 2 GB. Wenn man auf RAW speichert, bekommt man pro GB etwa 100 Bilder auf die Speicherkarte.

Dann muss man einen Laptop oder ein Notebook mitnehmen, denn wenn man nicht abends im Hotel die Ernte des Tages kontrolliert, verschenkt man viele Möglichkeiten, Fehler gleich vor Ort zu erkennen und auszumerzen.

Am Anfang dachte ich diese Geräte würden reichen, weil ich ja die Bilder auf dem Notebook speichern, und die Sicherheitskopien jeden Abend auf CD oder DVD brennen kann.

Bis mir in Grand Junction in Colorado auf dem Flughafen einmal die Tasche mit dem Notebook von der Schulter rutschte und auf den Steinfußboden knallte. Glücklicherweise passierte nichts.

Da fiel mir erst auf, das ich mit defektem Notebook aufgeschmissen wäre, weil ich erstens keine Bilder mehr auf ihm speichern, und auch keine CD’s zur Sicherheit mehr brennen könnte.

Also habe ich von der nächsten Reise an noch einen 40 GB externen Bilderspeicher mitgenommen, den Jobo Giga-3, so dass ich jetzt zwei voneinander unabhängige Speichersysteme habe.

Auf Reisen speichere ich alles nur auf RAW, und wandele diese Dateien erst Zuhause in TIFF um, weil eine 10 MB RAW-Datei durch den Umwandlungsprozess auf TIFF auf etwa 25 MB anwächst, also den 2,5-fachen Speicherplatz benötigt.

Ein Vorteil auf Reisen in der digitalen Fotografie ist die größere Sicherheit gegen Diebstahl. Das Notebook lasse ich immer im Hotel im abgeschlossenen Koffer und lasse auch keine Kabel usw. im Zimmer liegen, die auf ein Notebook im Koffer zurückschließen lassen.

Den Jobo Giga-3 nehme ich immer im Fotorucksack mit, so dass – wenn ein Speicher gestohlen wird – immer noch die Bilder auf dem anderen Speicher vorhanden sind. Wenn dagegen ein Koffer mit den Diafilmen gestohlen wird, ist alles futsch..

Was braucht man als digital arbeitender Naturfotograf drinnen?

PC, Farbdrucker, Scanner für die ganzen vorhandenen Dias und natürlich ein Bildbearbeitungsprogramm, am besten Photoshop CS.

Wie kann man vorgehen?

Hier als Beispiel mein Weg (zur Zeit), der mit wachsenden Erkenntnissen sich sicher noch verändert und verfeinert. Es ist nicht der Weg, sondern nur ein Weg, weil in der digitalen Fotografie viele Wege zum Ziel führen.

1.      Schritt: Man bringt das Bild auf den Schirm, macht eine Kopie  und dann den gewünschten Ausschnitt.

2.      Schritt: Jetzt gehe ich – falls nötig – mit dem Stempel an das Bild und entferne die Flecken, die durch Dreck in der Kamera entstanden sind, vorzugsweise sieht man es im Himmel.

3.      Schritt:. Die Tonwertkorrektur

4.      Schritt: Die Farbkorrektur.

5.      Schritt: Unscharf maskieren, aber sehr vorsichtig. Die endgültige Schärfung sollte man erst beim Druck vornehmen, abhängig von der Druckgröße. Es gibt Agenturen, die wollen am liebsten überhaupt keine Schärfungen, oder allerhöchsten bis zum Wert 50-1-1.

6.      Schritt: Datenanhang machen mit den gleichen Angaben, die man auch auf dem Diaetikett macht, nur eben viel ausführlicher, da man ja jede Menge Platz hat.

7.      Schritt: Speichern unter TIFF. Eine eiserne Regel sollte lauten: Niemals am Original RAW-Datensatz arbeiten, sondern immer an einer Kopie. Da ich aber das fertige Bild unter TIFF speichere, bleibt die Original-RAW-Datei sowieso unbearbeitet erhalten, und ich muss am Anfang keine Kopie machen (Man darf dann nur nicht versehentlich das Bild als RAW zurückspeichern. Dieser Weg ist also etwas gefährlich).

Sollte man auf RAW-TIFF oder JPEG arbeiten? RAW-TIFF macht viel mehr Arbeit. JPEG-Dateien kann man ‚fertig‘ aus der Kamera kommen lassen, ohne Nachbearbeitung in der ‚Digitalen Dunkelkammer‘. Für die meisten Amateurzwecke und die schnelle Presse- und Sportfotografie reicht JPEG vollkommen aus. Selbst viele Bildagenturen nehmen lieber aus Speichergründen JPEG-Dateien an. Die meisten wollen allerdings eher 8bit/TIFF.

Mein Vorschlag wäre für Naturfotografen deren längste Brennweite ein 80-400 oder 100-400 ist, auf JPEG zu speichern, und wer ein 4.0/500 mm hat sollte auf RAW/TIFF arbeiten.

Denn wer bereit ist ein so schweres und teures Objektiv zu schleppen, der sollte auch nachher das Bestmögliche aus seinen Bildern herausholen.

Arthur Millers Ansicht und Ansel Adams Negativ.

Arthur Miller hat einmal die Ansicht geäussert, das die Fotografie die roheste aller Künste sei. Jetzt, wo wir vor der Aufnahme das Bild auf dem Monitor überprüfen, und nachher in Ausschnitt, Tonwerten, Farbe und Schärfe verbessern können, und vor allem – es durch den Photodrucker in der Hand haben, es selber zu steuern zu dem Bild hin, welches uns vorschwebte, stimmt seine Ansicht noch weniger als früher.

Die unangetastete RAW-Datei ist heute für uns das, was für Ansel Adams früher das Original-Negativ war, aus dem er Jahre später mit wachsender Erkenntnis völlig andere Abzüge machte als am Anfang. In der Digitalfotografie mit eigenem Photodrucker nähern wir uns wieder den Möglichkeiten die Ansel Adams mit seinen SW-Negativen hatte oder überholen ihn sogar.

Während man sein Dia eigentlich nur ins Labor geben konnte und das 30x40cm-Bild vom Dia viel zu hart wurde und keineswegs unsere Intentionen in Farbe, Schärfe sowie  Tonwerten - und auch oft nicht im Ausschnitt - reflektierte, können wir heute mit dem nicht einmal 400.- Euro kostenden A3-Farbdrucker die (100 Jahre haltbaren?) Bilder in allen Belangen so ausdrucken, dass sie dem sehr sehr nahe kommen, was uns bei der Aufnahme vorschwebte.

Noch nie in der Geschichte der Fotografie hatten wir so großartige Möglichkeiten, unsere Vorstellungen zu verwirklichen und komplett bis zum fertigen Kunstdruck selber zu verwirklichen, in der Kamera und in der Digitalen Dunkelkammer.

Es ist eine Lust heute zu leben...zumindest als Naturfotograf.

Was mich etwas unbehaglich macht an der digitalen Fotografie – gegenüber den unglaublichen Möglichkeiten – ist die ungeheuere Technisierung des Hobbys Naturfotografie.

Früher war der Naturfotograf im Vorteil, 
der die Natur und die Tiere über alles liebte 
und nur draußen bei seinen Motiven sein wollte.

Heute ist der im Vorteil, 
der seinen Computer und Photoshop über alles liebt 
und nur im Zimmer sein möchte.

Und der Vorstoß zur Spitzenqualität wird durch die digitale Fotografie nicht einfacher, sondern schwieriger.

Weil man jetzt drei Dinge beherrschen muß:

1. Die Kenntnisse über seine Motive.

2. Die Kenntnisse über Naturfotografie.

3. Die Kenntnisse über die Digitale Dunkelkammer.

Von 1950 bis 1970 reichte Punkt 1.

Von 1970 bis 2005 reichten 1 und 2.

Ab 2005 kommt noch Punkt 3 hinzu.

Und es werden sicher eher weniger als mehr, die alle drei Felder gleich gut beherrschen. Was meiner Ansicht nach sehr bedauerlich ist. Wir haben in Europa jetzt schon prozentual viel weniger Naturfotografen als etwa in Nordamerika, weil es halt’ bei uns viel schwieriger ist, Tiere und Landschaften zu fotografieren.

Wenn jetzt noch mehr aufgeben werden oder würden, weil ihnen die weitere Technisierung der Naturfotografie nicht behagt, oder sich die Zusammensetzung der Naturfotografen-Gemeinde sehr stark verändern wird, von denen hin die Ahnung von der Natur haben, zu denen hin die Ahnung von der Technik haben, so ist oder wäre das doch sehr bedauerlich.

Der Idealfall ist natürlich, wenn jemand tagsüber am liebsten von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang draußen ist und Natur fotografiert, abends am liebsten vor dem PC sitzt und mit Photoshop arbeitet, und von der Natur, der Fototechnik und der Computer/Photoshop-Technik gleich viel Ahnung hat und von allem gleich begeistert ist.

Das sind vielleicht die Voraussetzungen
für den idealen und erfolgreichen Naturfotografen ab 2005.

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