Bulletin 17.8.04

Fritz Pölking

Spinne am Morgen..

Über das Drama des wirklichen Lebens

Das Tages-Bulletin diagnostizierte ausgezeichnetes Allgemeinbefinden, leichte Müdigkeit während des ganzen Vormittags und für den Tag anhaltend heitere Stimmung.

Klaro: Wenn man um 5.00 Uhr aufsteht um früh im 110 km entfernten Moor nachzusehen, ob es schon Morgentau gibt, dann ist man halt nachher etwas müde, und ein nicht geplantes, interessantes Foto sorgt natürlich für gute Laune den ganzen Tag über…

Neben Leoparden und Fischadlern gehört der Morgentau zu meinen Lieblingsmotiven. Ab Mitte bis Ende August werde ich daher immer unruhig in der Angst, ihn zu verpassen, wenn die ersten kühleren Nächte kommen, gefolgt von sich erwärmender Luft bei Sonnenaufgang.

Diesmal war ich um 6.30 im Moor, aber doch noch Tage oder Wochen zu früh für richtigen, schönen Morgentau. Lediglich auf einigen flachen Spinnennetzen, ganz niedrig am Boden, befanden sich kleine Tautropfen, die aber auch schnell wieder verschwunden waren.

War also nichts.. Ich hätte ruhig bis 8.oo Uhr im Bett bleiben können.

 

Wespenspinne mit erbeuteter Libelle (16. August 2004)

Canon EOS 1 D Mark II, RAW file, 200 ISO, 2.8/105 mm, Bl. 5.0, 1/30 sek.,  SVA, Stativ.

Aber wenn man schon mal da ist, schaut man sich halt um, und dabei entdeckte ich das Netz einer Wespenspinne, in das sich gerade eben eine Libelle gefangen hatte, die noch heftig mit den Flügeln schlug und sich damit umso hoffnungsloser im Netz verfing.

Ob Fischadler und Fisch, Amsel und Wurm, Spinne und Libelle – es geht immer darum, dass nur einer überleben kann, und dieses Drama zu dokumentieren gehört mit zur Naturfotografie.

Dies war ein ideales Motiv für meine Mark II und das 2.8/105 mm Makroobjektiv. Bevor ich 1985 auf Nikon umstieg, hatte ich für meine Olympus OM-2 ein Balgengerät mit einem Objektivkopf Zuiko 4.5/135 mm für Nahaufnahmen. Das war eine sehr schöne Ausrüstung, weil man mit einem Objektivkopf auf einem Balgengerät stufenlos von Unendlich bis zur Supernähe einstellen kann.

Später bei Nikon und dann auch bei Canon gab es leider kein 2.8/135 mm Makrobjektiv. Beide hatten sich auf 2.8/100 mm und 180/200 mm eingestellt, was mir persönlich beides nicht sonderlich gefiel für Schmetterlings- und Libellenfotografie. Die 100 mm Brennweite war mir immer etwas zu kurz und die 180/200er zu lang.

Jetzt mit dem Faktor 1.3x für die Mark II hatte ich praktisch wieder ein 2.8/135 mm - die Brennweite, bei der ich mich in der Nahfotografie am wohlsten fühle.

Ein zweiter erfreulicher Faktor bei der Digitalfotografie ist, das ich zur Zeit den Eindruck habe, man kann ruhig bei Tieraufnahmen mit ISO 200 anfangen, wo man mit Film den ISO 100 Sensia genommen hat. Das ist eine Verschlusszeit geschenkt, und die kann man am frühen Morgen gut gebrauchen.

Ich fotografierte hier mit ziemlich offener Blende (so um die 5,6), und kam trotzdem nur auf Verschlusszeiten von 1/10 bis 1/30 sek., trotz 200 ISO. Ich konnte nicht weiter abblenden, sonst wäre der Hintergrund viel zu unruhig geworden.

Mein Hauptproblem in der Gestaltung des Bildes war daher, die beiden Tiere – Spinne und Libelle – unbedingt in eine Ebene zu bringen, denn sonst hätte ich keine Chance gehabt, beide scharf abgebildet zu bekommen.

Oft kommt am frühen Morgen mit Sonnenaufgang sofort ein leichter Wind auf, und so war es auch hier. Ich musste also viele Bilder machen, da ich sah, das sich oft im Wind die Spinne leicht bewegte, die Libelle sich leicht bewegte oder sich beide leicht bewegten.

Wobei die Libelle häufiger ‚wackelte’; erstens weil sie noch lebte, und zweitens weil das Spinnennetz leichter im Wind schauckelte als der dicke Halm an der die Spinne saß.

Ich machte also insgesamt etwas über 100 Aufnahmen, wovon ca. 30 scharf und 15 gut waren.

Wespenspinne und erbeutete Gemeine Binsenjungfer

Für das Archiv nahm ich diese vier hier ‚abgedruckten’ Bilder und noch zwei weitere. Die restlichen über 90 Bilder habe ich am Mittag gelöscht. Bis Ende 2003 hätte mich das drei Diafilme mit Entwicklung und Rahmung gekostet, macht etwa 30.- Euro, die ich jetzt ins Sparschwein legen kann für die nächste Kamera, die 'totsicher' nach der Photokina im Oktober 2004 oder spätestens der PMA im Februar 2005 fällig wird.

Sehr schön in der digitalen Fotografie ist auch, dass man sich die technischen Daten nicht mehr merken oder aufschreiben muss, sondern man kann sie später –wenn man will –  jederzeit etwa in Photoshop-CS nachlesen, als automatischen Datenanhang an jedem Bild.

Wenn man unter Datei den Button ‚Datei-Information’ anklickt, um die Felder auszufüllen, dann braucht man nur oben links unter 'Kamera-1' nachzusehen, und hat alle relevanten technischen Informationen zu dem betreffenden Bild. Da steht sogar ob man einen Konverter benutzt hat oder nicht.  Wenn ich etwa das 500er mit dem 2x Konverter genommen habe, dann steht da 'Objektivbrennweite 500 mm, benutzte Brennweite 1.000 mm.....
Mein Gott Walter – wer hätte sich vor 30 Jahren träumen lassen, dass wir Naturfotografen mal so tolle Spielsachen bekommen…

Ein weiterer schöner Effekt der digitalen Fotografie ist der direkte Zugriff. Die Bilder waren um 7.00 fertig, um 9.oo war ich wieder zu Hause, und um 10.00 Uhr hatte ich schon den ersten Ausdruck 20x30 cm fertig vor mir liegen und konnte mich vom Ergebnis überzeugen..

Interessant ist übrigens der Zickzack-Faden im Zentrum des Spinnennetzes. Manche Wissenschaftler glauben, dass es  der Stabilisation des Netzes dient, andere halten es für ein Warnsignal oder es soll von der Spinne ablenken. Wenn Sie solche Hintergrund-Details  interessieren, dann lesen Sie bitte den Text zum 'Naturfoto des Monats September 2000'.

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